Die Marvels wie sie wirklich waren: Wolfgang J. Fuchs (1)

Diese Serie mit Artikeln zur Geschichte der Marvel Comics aus dem Silver Age ist eine Übernahme aus dem Fanmagazin „Das sagte Nuff“ (2005-10). Ich bedanke mich herzlich für die Genehmigung, sie hier wiederzugeben.

Am 20. Januar ist Wolfgang J. Fuchs 74jährig nach kurzer schwerer Krankheit verstorben. Er „hat die akademische Auseinandersetzung mit dem Medium Comic sozusagen erfunden“ (Rene Lehner) und wird nicht nur wegen des Erlöschens seiner  immensen Fachkenntnisse schmerzlich vermisst, sondern auch als liebenswerter Mensch, „der sich grundsätzlich nicht an Querelen innerhalb der Szene gerieben hat“ und bis zuletzt „für jeden positiv besetzt erreichbar war“ (Hartmut Becker).
 Dieses Interview stammt aus den Nuff-Ausgaben 1 und 2. von 2005

Western von gestern
von  Daniel Wamsler
http://dassagtenuff.blogspot.com/

Wolfgang J. Fuchs arbeitete für so ziemlich alle großen Verlage, übersetzte z.B. „Prinz Eisenherz“ für Hethke und Carlsen, verfasste Sachartikel für diverse Magazine und zeichnet als Autor und Co-Autor für einige der Standard-Sekundärwerke im Comic-Bereich verantwortlich. Zu seinen populärsten Arbeiten zählen „Batman, Beatles, Barbarella – Der Kosmos in der Sprechblase“, „Comics – Anatomie eines Massenmediums“ und „Comics Handbuch“ sowie die Vorworte zu Ehapas „Barks Comics & Stories“. Weniger bekannt sind seine Übersetzungen für den Bildschriftenverlag und Williams, die entweder ohne Credits oder unter Pseudonym erschienen. Das Interview erscheint ungekürzt und unverändert, genauso wie es ablief.

Selbstporträt aus „Comixene“ Nr. 21 (1978) und Phantombild von Walter Bassing alias Wolfgang J. Fuchs (c.a. 2005). Für den Williams Verlag übersetzte er u.a. „Dracula“ und „Die Spinne“.

Daniel Wamsler: Wolfgang, Du hast in den 60er und 70er Jahren für die Verlage bsv und Williams gearbeitet. Der Bildschriftenverlag hatte nur einen sehr kleinen Mitarbeiterstab, darunter u.a. Redakteur Reiner Taubert, Übersetzer Dirk Hess, Wolfgang M. Biehler als damaligem Übersetzer und Chefredakteur von “MAD“ und Du. Wie lief die Zusammenarbeit ab und für welche Serien (auch nicht-Marvels) warst Du in welchem Zeitraum zuständig?

Wolfgang J. Fuchs: Also, angefangen habe ich mit der Serie „Sheriff Klassiker“ ab Nr. 963 bis Ende (Nr. 210). Später kam „Tarzan“ (ab Nr. 49) dazu (bis 157). Natürlich auch die großen „Tarzan“-Bücher, die „Tarzan“-Extra- Zeitung und einige andere „Tarzan“-Publikationen wie z.B. das Comic-Großalbum (Nr. 11 bis 15). Eine Zeitlang habe ich auch die „Korak“-Hefte übersetzt (Mindestens Nr. 49-70). Außerdem „Pecos Bill“ (vermutlich alle 12, auch die nicht erschienene Nr. 10), „Simon Templar“ (1 und 2, möglicherweise nur Heft 2), vermutlich auch einige Hit Comics (allerdings nur die Hauptserien), die ersten „Spinne“-Hefte ab Nr. 1 (unter Pseudonym). Genauer kann ich das momentan nicht sagen, weil ich sonst alle meine Unterlagen sichten müsste.

Dein Wohnort München und der Verlagsstandort Alsdorf bei Aachen, später Hamburg liegen nicht gerade nah beieinander, wie kamst Du zum bsv bzw. zu Williams?

Da ich die Original-Marvel-Western kannte, war ich von den bsv-Übersetzungen nicht hellauf begeistert. Ich trennte eine Seite aus einem Heft, klebte meine handgeletterte Übersetzung ein und schickte sie an den Verlag. Vierzehn Tage später erhielt ich ein Schreiben in etwa diesen Wortlauts: „Ihr Stil gefällt uns. Wollen Sie die „Sheriff Klassiker“ übernehmen?“ Und das tat ich dann auch. Allerdings stellte ich später fest, dass die Setzerinnen durchaus eigenwillige Kürzungen und Änderungen vornahmen, was meinen Eindruck von den Übersetzungen vor meiner Zeit relativierte. Ich habe dann einige Zeit später auf dem Rückweg von London in Aachen Station gemacht und den Verlag und das Atelier Baluch besucht.

Hattest Du persönlichen Kontakt zu Deinen Kollegen?

Nein, Kontakt hatte ich nur mit dem Verleger und in der Hauptsache mit dem Atelier Baluch, das die Hefte betreute.

Herr Biehler meinte in einem Gespräch bezogen auf die Eindeutschung der frühen Marvel Comics: „(…) wir sahen das damals nicht so eng!“. Dieser fehlende Ernst erinnert auch an die Haltung Stan Lees, der seine Helden oft genug durch den Kakao zog und ihnen Spitznamen, Erkältungen aufgrund ihrer dünnen Kostüme und anderes verpasste. Welche Freiheiten hattest Du, bzw. welche Vorgaben gab es von Seiten des Verlags?

Es gab keine Vorgaben, außer dass der Text dem Original adäquat sein und in die Sprechblasen passen sollte. Bei den Williams-Marvels (die ja nicht von Wolfgang Biehler redigiert wurden) wurde kein Wert auf Gags um der Gags willen gelegt, sondern darauf, das Marvel-Feeling rüberzubringen. Daher auch – anders als in den Taschenbüchern – keine willkürlichen Textkürzungen oder -änderungen.

In den frühen Hit Comics schien sowohl die englische, als auch die Marvel-typische Sprache einige Probleme zu bereiten. Übersetzungen wie „Eine Zeit danach… dort ein Roboter“ (Once upon a time… there was a robot!), „das sagte Nuff!“ (Nuff said!) und Eigennamen wie „Erzkämpfer“ (Iron Man) und „Unterseemann“ (Sub-Mariner) waren keine Seltenheit. Auch die Reihenfolge der frühen Zweitstorys war kaum nachzuvollziehen. Prinz Namors zweiter Auftritt erschien als „3. Fortsetzung“, beim Crossover „Iron Man / Sub-Mariner“ aus „Tales Of Suspense“ verwechselte man die Serien und vergab zwischendurch einmal fälschlicherweise den Sub-Mariner-Titel, usw. Auch zogen sich die vierseitigen Fortsetzungen über Monate hinweg, da diese jeweils nur in der betreffenden Hit Comics -„Unterserie“ erschienen. Da diese Seiten offensichtlich mit dem jeweiligen Heft separat übersetzt wurden, waren die Qualitätsunterschiede nur allzu deutlich und reichten von nahezu fehlerfreien Übertragungen bis hin zu Sätzen wie „Es ist fast ein Bohrloch, wo ich meine Nachtwache halte!“. Dennoch machen genau diese Stilblüten die Liebenswürdigkeit der Hit Comics aus, oder?

Die Zweitstorys der Hit Comics wurden lange Zeit nicht (möglicherweise nie) vom Übersetzer der Hauptstory gemacht. Angeblich wurden diese Texte von holländischen Setzerinnen (die die deutsche und die holländische Ausgabe setzten bzw. auf IBM-Kugelkopfmaschinen tippten) mit dem Lexikon in der Hand geradebrecht. Für diese Version spricht einiges (um nicht zu sagen vieles oder

alles).

D.h. die Sprechblasentexte wurden zum Teil direkt per Schreibmaschine in die Druckvorlagen eingefügt. Das erklärt wohl auch die vielen „Überlappungen“ in der Anfangszeit?

Für den Satz wurden Blaupausen im Verhältnis 1:1 als Hintergrund für den Text verwendet. Die Blaupausen wurden in eine IBM-Kugelkopfmaschine eingespannt und dann der deutsche Text eingetippt. Die Hefte wurden ja gleichzeitig in mehreren Sprachen gedruckt. Der multinationale Druck ermöglichte es, in den Partnerländern kleine Auflagen zu fahren, insgesamt aber doch stattliche Auflagen zu erzielen.

In den umfangreicheren schwarzweißen Hit Comics ab Nr. 60 finden sich oftmals weiße Kästchen in den Panels der letzten Comicseite, bei denen in Holland die Verlagsangabe „Classics Lektuur“ eingepasst war. Wurde das bei der deutschen Version einfach übersehen?

Gut möglich.

Auch wurden sämtliche Schriften penibel entfernt, wodurch neben einigen Soundwords und Häuseraufschriften auch die „4“ auf den Kostümen der Fantastischen Vier und die Paginierung fehlten. Ein krasses Beispiel sind die fehlenden Ziffern aus Feuer, die Johnny Storm während eines Besuchs in Peter Parkers Schule (hier Universität, wohl um den Leser mit den parallel erscheinenden Ereignissen im vorderen Teil der Hefte nicht weiter zu verwirren) in die Luft schreibt und dieses gleichzeitig kommentiert (ASM # 3).Warum war man hier im Gegensatz zu anderen Stellen derart pingelig?

Keine Ahnung. Vermutlich Übereifer, damit jedes Land seine eigene Version einfügen konnte. Leider wurde aber niemandem mitgeteilt, was alles aus dem Schwarzfilm entfernt worden war, so dass das Fehlen solcher Elemente erst beim fertigen Heft zu sehen war.

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